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London-Marathon mit 31.582 Läufern:
Britischer Linksverkehr produziert Weltbestleistung
21.04.1999
LONDON. Drei Wochen zuvor gewann sie den Berliner Halbmarathon und verdiente sich dabei das bescheidene Sieggeld von 2000 DM, nun triumphierte Joyce Chepchumba beim London-Marathon und kassierte die höchste Prämie ihres Lebens. Daß die 28jährige mit 230.000 Dollar belohnt wird, hängt allerdings mit einem Novum zusammen. Denn die Veranstalter des London-Marathons sehen die Siegzeit der Kenianerin, die 2:23:22 Stunden lief, als neue Weltbestleistung an. Hintergrund dieser Rechnung ist, daß die Briten lediglich Ergebnisse anerkennen, die in reinen Frauenrennen erzielt wurden. Davon gibt es allerdings, abgesehen von den großen internationalen Meisterschaften, nur eine handvoll. In Berlin oder beispielsweise auch in Rotterdam, New York, Boston und Chicago starten Frauen und Männer stets gemeinsam. In London beginnen die Eliteläuferinnen währenddessen seit einigen Jahren ihr Rennen 30 Minuten früher.Der Verdacht liegt nahe, daß dieser britische "Linksverkehr des Marathonlaufes" nur eingeführt wurde, um leichter eine Weltbestzeit zu erreichen. Schließlich führt auch der Internationale Leichtathletik-Verband (IAAF) nur eine Bestenliste. Und die wird nach wie vor angeführt von Tegla Loroupe (Kenia), die vor einem Jahr den Rotterdam-Marathon in 2:20:47 Stunden gewonnen hatte. Pikanterweise waren es die Londoner, die damals ihren Rekord verloren. 1985 hatte Ingrid Kristiansen (Norwegen) an der Themse in einem gemischten Rennen in 2:21:06 Stunden gewonnen. "Manchmal", antwortete Joyce Chepchumba etwas ausweichend auf die Frage nach dem Weltrekord, "wäre es besser, die Frauen wären ohne Männer - natürlich nur beim Laufen." Damit hatte sie die Lacher auf ihrer Seite.
Bei den Männern kann es ein derartiges Rekord-Verwirrspiel glücklicherweise nicht geben. Dafür gab es ein anderes Novum: Abdelkader El Mouaziz, ein 30jähriger Marokkaner, der bereits im Vorjahr mit Rang zwei überrascht hatte, lief zum Sieg in erstklassigen 2:07:57 Stunden. Dabei erzielte er auf die Sekunde genau jene Zeit, mit der 1998 Abel Antón gewonnen hatte. Und wie der Spanier, verschenkte auch der Marokkaner den Streckenrekord. Völlig erschöpft, jubelte er auf der Zielgeraden, anstatt sich auf die letzten Meter zu konzentrieren. Um zwei Sekunden verpaßte er dadurch den Streckenrekord des gestern zweitplazierten António Pinto (Portugal) und damit eine zusätzliche Prämie in Höhe von 25.000 Dollar. Dennoch blieben ihm insgesamt 80.000 Dollar. Der Berlin-Marathon-Sieger Ronaldo da Costa, der im September mit 2:06:05 Stunden eine Weltbestzeit aufgestellt hatte, spielte in London keine Rolle und erreichte das Ziel als 17. in 2:14:10 Stunden. Angeblich hatte er in den letzten Monaten mehr mit Autogrammstunden und Interviews zu tun als mit seinem Training.
Einen echten Rekord gab es auch noch: 31.582 Läufer starteten beim London-Marathon, der gemeinsam mit New York der weltgrößte ist. Erstmals erreichten über 30.000 Athleten das Ziel (30.750). Und für Kuriosa ist das enorme Feld immer gut. Der älteste Läufer war 89, der jüngste 18. Die Liste der Berufsgruppen führten die Lehrer mit 1760 Startern an. Bei den häufigsten Namen führten die Smiths mit 453 Läufern vor den Jones' mit 363. Gleich 1705 Läufer des Feldes hießen David. Außerdem starteten drei Michael Jacksons. Für ein weiteres Novum sorgten Mick Gambrill und Barbara Cole, die nach einigen Kilometern einen Schlenker zum Standesamt machten, sich das Ja-Wort gaben und verheiratet das Ziel am Buckingham Palast erreichten - den Ideen der lauf-verrückten Briten sind in London keine Grenzen gesetzt.
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